Die Festung
Anfang des 2. Jahrtausends ist Wesel ein aufstrebender Handelsplatz. Im Jahr 1241 erfolgt die Erhebung zur Stadt. Das in Folge u.a. erteilte Recht zur Erhebung einer Verbrauchssteuer ermöglicht es den Weselern, im Jahr 1278 den Bau einer ersten Stadtmauer in Angriff zu nehmen. 1370 umschließt die Mauer mit fünf Stadttoren und 16 Türmen ganz Wesel. Später wird sie mit vier weiteren Stadttoren und zehn Türmen um die Vorstadt Mathena erweitert.
Ende des 16. Jahrhunderts finden wir dann die ersten pfeilförmigen Bollwerke und Rondelle vor. Mit Beginn des 17. Jahrhunderts folgen mit den jeweiligen Besatzungen weitere Um- und Ausbauten des Befestigungsringes. So entsteht unter den Franzosen ab 1672 ein geschlossener zweiter Verteidigungsring mit Bastionen, Ravelins und einem durchgehenden Glacis. 1680 übernehmen dann die Brandenburger die befestigte Stadt. Im Jahr 1687 erteilt der Große Kurfürst den Befehl zum Bau der Zitadelle im Süden vor der Stadt.
Ein Bau in Form eines Sterns mit fünf pfeilförmigen Bastionen, benannt nach der brandenburgischen Dynastie: König, Prinz von Oranien, Kronprinzessin, Kronprinz und Königin. Die Bastionen sind verbunden durch die Kurtine, dem Hauptwall. Ihnen vorgelagert sind die Tenaille, Grabenscheren als zusätzliches Werk zum Schutz des Hauptwalls. Umgeben wird dieser erste Ring durch einen Graben. Vor den Kurtinen im Graben liegen die Ravelins, weitere eigenständige, meist drei- oder fünfeckige Befestigungswerke. Den abschließenden Verteidigungsring bildet das Glacis, eine feldseitig flache und nach innen steil geneigte Aufschüttung. Zwischen Zitadelle und Stadt lag ein freies Schussfeld, die Esplanade. Ungesehene Annäherung von Seiten der Stadt war so nicht möglich.
Zwei Tore erlaubten den Zutritt in die Zitadelle. Das feldseitig gelegene und auch so benannte Feldtor. Und das Haupttor, die Verbindung zur Stadt, welches heute noch besteht. Dazu kamen im inneren Ring noch diverse Gebäude wie Kasernen, Lagerhäuser und weitere Zweckbauten. Die Befestigungsanlage um die Stadt selber war an die Werke der Zitadelle durch stumpfe Bastionen angebunden. Vor der gesamten Befestigungsanlage lag das Rayon, ein Gelände, das als freies Schussfeld nicht bebaut werden durfte. Damit war der Ausdehnung der Stadt eine klare Grenze gesetzt. Das Grundprinzip dieses Festungsbaus blieb in den nächsten zwei Jahrhunderten gleich. Mal wurde erweitert, mal reduziert. Dieser durchdachte sternförmige Festungsbau hielt zum einen den Gegner auf Distanz, zum Anderen bot er durch seinen gestaffelten Aufbau die Möglichkeit, auch die Flächen direkt vor den eigenen Verteidigungsringen unter Beschuss zu nehmen. Also „Tote Winkel“ zu vermeiden. Auch der imposante Anblick von Weitem verfehlte seine Wirkung auf den Feind nicht.
Die Franzosen unter Napoleon bauen während ihrer Besatzungszeit u.a. zusätzlich noch zwei weitere separate Festungsanlagen, auf der linken Rheinseite das Fort Napoleon, heute Fort Blücher, und auf der Büdericher Insel die Zitadelle Bonaparte. Ende des 19. Jh. ist die Festung militärisch nicht mehr den Anforderungen gewachsen. Die Festungswerke der Stadt werden ab 1890 geschleift (abgebrochen), die der Zitadelle bleiben zunächst erhalten. Sie werden nach dem 1. Weltkrieg gem. Versailler Vertrag ab 1920 zerstört.
Die Festungstore
Begriffserklärungen
Bastion: | vorspringende Anlage im Hauptwall; sie ersetzte frühere Mauertürme und Rondelle |
Brisure: | (Kurtinenwinkel) schräger Mauerverlauf zwischen Kurtine und Flanke |
Esplanade: | freies Schussfeld zwischen der Zitadelle und der Stadt |
Flanke: | seitliche Linie einer verteidigungsfähigen Deckung, die das unmittelbare Vorfeld bzw. den Graben einer anderen Verteidigunslinie der Länge nach flankiert |
Glacis: | als freies Schussfeld angelegte, feldseitig flach und innen steil geneigte Aufschüttung vor dem äußeren Grabenrand und dem gedeckten Weg |
Kurtine: | Hauptwall, zwischen zwei Bastionen gelegener, zurückgezogener, meist geradliniger Abschnitt |
Künette: | (Abzugsgraben) in der Sohle eines trockenen Grabens angelegte Längsrinne, in der sich Wasser sammelt, wodurch der Graben unpassierbar wird |
Orillon: | abgerundete Schulter einer Bastion zur Deckung der Flanke und zur Grabenbestreichung |
Ravelin: | (auch Halbmond) im Graben vor der Kurtine liegendes Festungswerk, dreieckig oder fünfeckig |
Rayon: | derjenige Bereich des Festungsvorfeldes, in dem keine Bauten errichtet werden dürfen |
Tenaille: | (Grabenschere) ein vor der Kurtine, zwischen den Flanken der Bastionen liegendes Werk, das zum Schutz der Kurtine dient |
Ausgewählte Stadtpläne aus der Festungszeit Wesels
Historische Zitadelle
Historisches und heutiges Gebäude im Vergleich
Alte Zitadelle
Platz vor der Zitadelle